Predigt von Exzellenz Erzbischof Georg Gänswein anlässlich der Priester- und Diakonenweihen
(September 2022, St. Florian / Österreich) Hochwürdigster Pater General, hochwürdige Mitbrüder im priesterlichen und diakonalen Dienst, liebe Eltern, Geschwister und Verwandte, liebe Weihekandidaten, liebe Schwestern und Brüder im Herrn!
Solange der Mensch Geschichte hat, hat er Münzen hergestellt. Eine Münze ist ein Stück Metall, das geprägt ist und in der Regel das Bild eines Kaisers oder Königs oder wie in jüngerer Zeit eines Präsidenten zeigt. Damit soll gesagt werden: Diese Münze gehört zu diesem Kaiser, tu diesem König, zu diesem Präsidenten. Sie ist ein Zahlungsmittel seines Reiches, seines Landes.
Gott hat es nicht nötig, sein Eigentum eigens zu prägen oder zu kennzeichnen. Ihm gehört ohnehin alles. Aber er wollte die besonders prägen und kennzeichnen, die ihm in einmaliger Weise zugehören und die auf eine besondere Art sein spezielles Eigentum geworden sind. Eine solche Prägung geschieht durch das heilige Sakrament der Priesterweihe.
Wir wissen, dass diese Prägung den Priester dem gekreuzigten und auferstandenen Christus, dem ewigen Hohenpriester, ähnlich macht, und er darum dem Vater im Himmel nicht nur besonders lieb und teuer, sondern für ihn ganz und gar unverzichtbar ist. Es verändert ihn für immer. Durch die Weihe drückt der Heilige Geist unauslöschlich das Bild Christi ins Herz des Geweihten.
Die Priesterweihe ist ein Erkennungsmal: Du, Geweihter gehörst zu Jesus Christus. Darum legt der Bischof dir bei der Weihe die Hand auf. Er nimmt dich in Besitz – nicht für sich selbst, sondern für Jesus Christus. Deshalb darf danach niemand anders mehr uns die Hand auflegen, um uns für sich in Beschlag zu nehmen. Wir sind ein für alle Mal verschenkt. Die Hirten in Israel und anderswo kennzeichnen ihre Herden, indem sie den einzelnen Tieren einen Stempel einbrennen. Sollten sie sich verlaufen oder gar gestohlen werden, sind sie wieder als das Eigentum des Hirten zu identifizieren. Dieses Siegel sitzt so tief in der Haut, dass man es nie mehr entfernen kann. Das Priestertum ist nicht bloß eine Euch übertragene Vollmacht zur Ausübung bestimmter Funktionen, liebe Weihekandidaten, sondern es ist eingesenkt in Euren Personenkern, es macht eure Identität aus. Das Volk Gottes möchte euch als Priester Gottes erkennen, weil die Begegnung, ja schon der Sichtkontakt mit dem Priester für unsere Gläubigen ein Segen ist. Mehr noch: Die Priester sind für die Menschen heilsnotwendig – nicht, weil wir so tüchtig wären, sondern weil Gott es so gewollt hat, weil er sich selbst durch die Priesterweihe in unser Leben unkündbar hineinprägen ließ.
In der Dogmatik reden wir davon, dass uns die Priesterweihe einen Character indelebilis, das heißt ein unauslöschliches Zeichen einprägt. Die Menschen haben ein feineres Gespür dafür, als wir Priester das selbst wahrnehmen. Es ergreift mich immer von neuem, wenn ich sehe, dass nach der Priesterweihe die Menschen sich um den Neugeweihten scharen, um den Primizsegen zu empfangen. Alle, denen in der Priesterweihe durch Handauflegung des Bischofs das Bild des Guten Hirten eingeprägt wurde, zeigen sich als die Guten Hirten, indem sie das Volk Gottes segnen und heiligen. Sie sollen den Menschen zum Segen werden.
Die Priesterweihe ist ein Prägemal. Die Priesterweihe macht uns Christus, dem Hohenpriester, ganz ähnlich und zieht darum die Liebe des Vaters auf uns herab. Wie bei der Taufe Jesu im Jordan ruft uns gleichsam der Vater bei der Priesterweihe zu: „Du bist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe“ (Mt 3,17). Das ist nicht nur fromm daher gesagt, sondern das hat seinen Grund in der Liebe Gotts selbst. In der Priesterweihe werden wir Teilhaber am Hohen Priestertum Jesu Christi. Ein Wort des heiligen Augustinus kann man so abwandeln: „Ich erbebe als Bischof vor Scham, wie sehr ich Christus unähnlich bin. Aber ich erglühe zugleich vor Glück, wieviel mehr ich ihm ähnlich sein darf.“ Diese Erfahrung muss sich auch in einer priesterlichen Lebenskultur ausprägen, an der die Menschen etwas von der Schönheit und Wärme der Liebe Gottes spüren, die uns im Sakrament der Priesterweihe eingeprägt worden ist.
Die Priesterweihe ist ein Verpflichtungsmerkmal. Von einem Kreuzritter wird uns berichtet, dass er sich bei der Eroberung Jerusalems, durch besondere Tapferkeit hervorgetan hatte. Er durfte dafür als Erster seine Kerze am Licht des Heiligen Grabes von Jerusalem anzünden. Er legte dabei das Gelübde ab, mit diesem Licht die Kerzen des Marienaltars im Dom seiner Heimatstadt Florenz anzuzünden. Durch diese Sorge für das stets gefährdete Licht wurde aus dem rauflustigen und aggressiven Kreuzritter ein vorbildlicher Christ, ja ein Heiliger.
Eure Aufgabe ist es, das eingeprägte Bild Christi makellos durchs Leben zu tragen und ans Ziel zu bringen, wie der Ritter sein Licht und dabei heilig zu werden. Dann wirkt ihr wie Christus, von dem die Leute sagten: Er hat alles gut gemacht: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21). Die Seelsorge, das heißt die Sorge um das Heil der stets gefährdeten Menschen kann aus einem Priester einen Heiligen machen. Wir müssen keine Sondermethoden zur Heiligkeit austüfteln oder gar spezielle Kurse besuchen. Mit großer Liebe die uns aufgetragenen Dienste zum Heil der Menschen zu tun, ist der sicherste Weg zur priesterlichen Heiligkeit.
Als nach der anstößigen Brotrede Jesu viele seiner Jünger nicht mehr mitgingen, sagte er zu den Wenigen, die bei ihm geblieben waren: „Wollt auch ihr weggehen? Simon Petrus antwortete: Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des Ewigen Lebens“ (Joh 6,67). Das gilt auch heute noch. Auch und gerade heute! Natürlich gibt es bei uns Schuld und Sünde, menschliche Schwäche und Versagen. Aber wohin sollen wir gehen? – Du, Jesus Christus, allein hast Worte des Ewigen Lebens!
Liebe Mitbrüder, die Priesterweihe macht Euch zu Gezeichneten: Ihr gehört zu Christus. Ihr seid wie Christus. Ihr wirkt wie Christus.
Liebe Schwestern und Brüder!
In der Dogmatischen Konstitution über die Kirche Lumen gentium des Zweiten Vatikanischen Konzils hat die lateinische Kirche den „Diakonat als eigene und beständige Stufe der Hierarchie“ wiederhergestellt (LG 29). Dort heißt es wörtlich: Auf einer tieferen Stufe der Hierarchie stehen die Diakone, denen die Hände „nicht zum Priestertum, sondern zum Dienst“ auferlegt werden. Die Diakone haben an der Sendung und der Gnade Christi auf besondere Weise teil. Denn das Sakrament der Diakonenweihe drückt auch Ihnen ein Siegel auf, das nicht getilgt werden kann. Aufgabe der Diakone ist es, dem Bischof und den Priestern bei der Feier der heiligen Eucharistie zu helfen, die heiligen Kommunion zu spenden, der Eheschließung zu assistieren, das Evangelium zu verkündigen und zu predigen, den Begräbnissen vorzustehen und sich den verschiedenen karitativen Diensten zu widmen (vgl. LG 29).
Nach der liturgischen Ordnung sind es die Diakone, die in der Osternacht die Osterkerze in die dunkle Kirche hineintragen. Sie gehen in die Dunkelheit hinein, aber mit dem Osterlicht, das vom Auferstandenen kommt. Das ist eine sehr schöne und tiefe Symbolik für einen Diakon. Er trägt das Osterlicht und er sagt, nach wem wir uns ausrichten sollen. Das „Exsultet“, das er dann singt, ist der Spitzengesang der Erlösung. Es enthält ein Lebensprogramm.
Ihr werdet als Diakone nicht nur für eine bestimmte Zeit bestellt, denn auch wenn ihr in absehbarer Zeit die Priesterweihe empfangen werdet, bleibt ihr Diakone, Diener. Mit dem Osterlicht kann man die Dunkelheit der Welt vertreiben. So geht es eigentlich am leichtesten. Sonst ist es schwierig, die Dunkelheit selbst auszuhalten, geschweige denn zu vertreiben. In dem Augenblick, in dem der Auferstandene in unsere Mitte kommt mit seinem Licht, verschwindet das Finstere.
Liebe Ordinandi, Euch kommt es als Diakone vor allem zu, das Evangelium zu verkünden. Gottes Wort, nicht das eigene! Jesus Christus, das fleischgewordene Wort Gottes hat es in sich. Dieses Wort ist anspruchsvoll. Es beunruhigt den falschen Frieden des Gewissens. Wie ein scharfes Schwert durchschneidet es Zweideutigkeit und Halbheit. Es hat die Kraft, auch verhärtete Herzen anzurühren. Wir dürfen es nicht entkernen, nicht verwässern. Es lässt sich auch nicht zähmen und nicht zurechtstutzen nach unseren menschlichen, oft bequemen Maßstäben. Wir müssen hineinglauben in Gott, damit wir den uns Anvertrauten helfen können. Habt keine Angst, Euch dem Wort Gottes unterzuordnen. Ihr werdet dadurch nicht ärmer, sondern reicher. Johannes des Täufers, sozusagen der Prototyp des Diakons, bringt es auf den Punkt: „Er muss wachsen, ich aber abnehmen“ (Joh 3,30). Darum geht es: immer weniger ich und immer mehr Christus. ER ist unser Maßstab.
Ihr versprecht heute die Ehelosigkeit, den Zölibat. Dieser ist nicht erst heutzutage, er war immer und wird es immer bleiben, eine Provokation für die Zeitgenossen, weil viele sich das überhaupt nicht vorstellen können, dass es das gibt, noch immer gibt. Dass ein kerngesunder junger Mann bewusst auf die Ehe verzichtet. Das ist eine Lebenshingabe, in der Überzeugung, dass unser Leben fragmentarisch, bruchstückhaft bleibt. Es ist eben alles nicht so vollendet, was wir machen, aber wir wissen im Glauben: Es wird vollendet! Und davon reden wir nicht nur, sondern bezeugen es, eben durch unsere Entscheidung zur Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen. „Das ist mein Lebensprogramm. Ich kann das nicht erklären, sondern ich lebe darauf hin im Vertrauen auf das Wort Christi, dass es diese Vollendung gibt“, hat ein Priester am Ende seines segensreichen Lebens einmal gesagt. Lasst das auch euch gesagt sagt sein. Es ist, es bleibt sehr spannend! In eurem künftigen Dienst für den Herrn und seine Kirche werdet ihr getragen von der Kraft des Heiligen Geistes und vom Gebet vieler Menschen. Setzt darauf und seid dankbar!
Das Netz der Allerheiligenlitanei wird jetzt ausgespannt und da könnt ihr euch mit großem Gottvertrauen hineinfallen lassen und euch getragen wissen, bevor ihr euch dann aufrichtet und die sakramentale Gnade der Diakonen- und Priesterweihe empfangen werdet. Amen.
Link zu den Fotos der Weiheliturgie.