Immer wieder hört man: „In der Antike hat das Römische Reich den Christen den Besuch der Sonntagsmesse verboten, aber die damaligen Gläubigen haben sich mutig gegen dieses Verbot hinweggesetzt. Manche sind dafür als Märtyrer in den Tod gegangen. Wir sollten heute mutiger sein und uns auch über solche Verbote hinwegsetzen…“
Hier werden schnell Äpfel mit Birnen verglichen. Zur Zeit der Römer verbot der Kaiser den Messbesuch aus ideologischen Gründen: Er wollte den christlichen Glauben unterdrücken, obwohl der Besuch der Sonntagsmesse für die römische Gesellschaft ungefährlich war. In der momentanen Corona-Situation will der Staat mit seinen Einschränkungen nicht das Christentum, sondern die Ausbreitung des Coronavirus bekämpfen. Das ist seine Pflicht. Er muss alles Notwendige tun, um das Gemeinwohl zu schützen. Wenn eine bestimmte Form der Religionsausübung eine akute Gefahr für das Gemeinwohl darstellt, dann darf, ja muss der Staat diese Form der Religionspraxis einschränken – nicht weil er wie zur Römerzeit die Religion bekämpfen will, sondern weil er die Verantwortung für das Gemeinwohl der Bürger trägt.
Freilich, wenn in unseren Städten Bäckereien, Tankstellen, Banken und Supermärkte offen bleiben können (da sie notwendig sind), warum nicht auch unsere Kirchen? Wenn der Staat anerkennt, dass die Menschen eine lebensnotwendige Grundversorgung brauchen – zählt für die gläubigen Bürger dazu nicht genauso der gemeinsam gelebte Glaube? Nicht nur das Brot vom Bäcker, sondern auch das Eucharistische „Brot“, Jesus Christus selber? In der jetzigen Zeit noch viel mehr als sonst? Und ist das Infektionsrisiko beim werktäglichen Messbesuch in einer überdimensionalen Innenstadtkirche ohne Kommunionspendung wirklich größer als beim Tanken? Hier darf man sicher die Frage stellen, ob die pauschale Absage aller öffentlichen Messen der existentiellen Bedeutung, die die Eucharistie für uns Gläubige hat, wirklich gerecht wird. – Eine Frage, die freilich nicht nur der Politik, sondern genauso uns selber als Kirche zu stellen ist.
Soll man sich als Katholik also über das Verbot hinwegsetzen?
Es gibt tatsächlich Situationen, in denen man zum Widerstand gegen staatliche Vorgaben verpflichtet ist. Im Dritten Reich kam es immer wieder zu solchen Umständen. Immer dann, wenn etwas in sich Schlechtes vorgesschrieben wird, darf man nicht gehorchen. Aber der zeitweise Verzicht auf die Teilnahme an der heiligen Messe ist keine „in sich schlechte Handlung“ – selbst dann nicht, wenn das Verbot vielleicht unangemessen ist. Für uns Gläubige ist der Verzicht ein schmerzhaftes Opfer. Ja. Aber auf etwas Gutes zu verzichten ist etwas anderes wie etwas „in sich Schlechtes“ zu tun. Und wir dürfen uns mit dem Gedanken trösten, dass wir durch den Verzicht nicht automatisch die notwendigen Gnaden verlieren: Der schmerzhafte Verzicht auf die heilige Messe könnte unsere Sehnsucht nach Jesus in der Eucharistie sogar wachsen lassen, und je größer unsere Sehnsucht, desto mehr kann Jesus in unserem Herzen wirken – so dass wir am Ende der Krise hoffentlich eine neue, tiefere Wertschätzung für die heilige Messe im Herzen tragen als zuvor. Könnte das nicht ein Teil des Planes Gottes mit der jetzigen Situation sein?