Predigt von Diakon Michael Erlach SJM am 19. März 2019, Fest des heiligen Josef.
Der heilige Josef ist ein eigenartiger Heiliger. Ein Heiliger zeigt durch sein tugendhaftes Leben und seine Worte, wie Gott durch Menschen wirkt. Aber der heilige Josef ist diesbezüglich sehr unscheinbar. Von vielen Heiligen sind Wunder überliefert, die sie zu Lebzeiten gewirkt haben. Jesus hat gesagt: „Wer an mich glaubt, wird die Werke, die ich vollbringe, auch vollbringen; denn ich gehe zum Vater.“
Vom heiligen Josef ist kein solches Wunder überliefert, von den Aposteln zum Beispiel schon. Von den Propheten sind zum Teil sehr umfangreiche Bücher mit Offenbarungen über die Heilsgeschichte überliefert. Die Apostel haben Evangelien und Briefe geschrieben. Vom heiligen Josef wissen wir kein Wort.
Im heutigen Evangelium wird subtil und doch eindringlich das Mysterium der Menschwerdung des Messias dargelegt. Es soll klarwerden, dass Gott der eigentliche und einzige Vater Jesu ist. Et mater semper certa est. Der heilige Josef steht dabei als Ehemann wie ein armer Tropf daneben. Er scheint mehr ein Beobachter des Mysteriums zu sein, als ein unmittelbar Beteiligter. Aber vielleicht macht gerade dieser Aspekt den heiligen Josef beachtenswert.
Bei der heiligen Gottesmutter Maria ist nach genauer Betrachtung klar, wie sie an der Menschwerdung Gottes und an der Erlösung der Menschen aktiv mitwirkt. Sie empfängt und gebiert den Messias, und sie bleibt mit dem Sohn Gottes immer aufs engste verbunden. Das sind jedoch Dinge, die in dieser Form nur für Maria möglich waren. Jesus wird nur einmal leiblich geboren.
Der heilige Josef ist jener Mensch, der mit Maria und Jesus eine Familie bildet. Das bedeutet eine intensive Lebensgemeinschaft mit dem heiligsten Menschen, der jemals auf der Erde gelebt hat, und mit der Mensch gewordenen zweiten göttlichen Person. Das wiederum legt nahe, dass der heilige Josef bei der Erziehung und Ausbildung Jesu die entscheidende Rolle gespielt hat. So konnte Jesus in einer normalen Familie aufwachsen und sich in seiner Menschheit entwickeln.
Was die Evangelien bei aller Verschwiegenheit über den heiligen Josef mitteilen, sind sein Glaube, sein Gehorsam und seine Keuschheit. Die Schwangerschaft Marias hat seinen Glauben stark herausgefordert. Er musste ja irgendwie verstehen, dass Maria keine Ehebrecherin ist, obwohl er nicht der Vater des Kindes ist. Unter natürlichem Aspekt sieht die Sache anders aus als unter übernatürlichem Aspekt. Aber die übernatürliche Erkenntnis ist eine Gnade, für die man offen sein muss, um sie empfangen zu können. Durch einen Engel vermittelt Gott dem heiligen Josef diese Gnade. Und Josef ist geistig bereit, die ungewöhnliche Offenbarung zu glauben. Er ist darüber hinaus bereit, die Konsequenzen für das weitere Leben anzunehmen. Wir können annehmen, dass die Erkenntnis der Selbsterniedrigung Gottes den heiligen Josef zu einer entsprechenden Antwort gedrängt hat. Das bedeutet nicht, dass der heilige Josef in einem Augenblick die ganze Tragweite der Menschwerdung Gottes erkannt hat. Die Menschwerdung Gottes bleibt als Mysterium für jedes Geschöpf unauslotbar. Das ist die Erfahrung gerade der großen Mystiker unter den Heiligen. Aber der heilige Josef hat das Mysterium soweit verstanden, dass er bereit war sein Leben dem Gott hinzugeben, der die Person Marias auf intensivste Weise für die Erlösung der Menschen in Anspruch nimmt. Denn als ihr Ehemann ist er davon betroffen, auch wenn er nicht der Vater des Kindes ist.
Der Glaube hat dem heiligen Josef die Kraft zum Gehorchen gegeben. Im Gehorsam hat er Maria als Frau angenommen. Im Gehorsam ist er mit der hochschwangeren Maria zur Volkszählung nach Bethlehem gegangen. Im Gehorsam ist er mit dem Jesusknaben nach Ägypten geflüchtet und wieder zurückgekehrt. Im Gehorsam war er an den vorgeschriebenen Tagen im Tempel in Jerusalem, um die entsprechenden Opfer darzubringen. Und im Gehorsam hat er seinen Tod angenommen.
Das sind alles Dinge, die äußerlich nicht auffallen, aber dem Betreffenden innerlich einiges abverlangen. Wenn man den heiligen Josef für sich betrachtet und das Besondere seiner Heiligkeit sucht, dann findet man nichts, was andere Heilige nicht auch hätten. Freilich sieht man als Erstes seine Nähe zu Maria und Jesus. Aber diese Nähe ist, wie gesagt, gerade die Schwierigkeit, die den Glauben des heiligen Josef herausfordert. Wenn man mit Maria und Jesus menschlich zusammenlebt, kann das im Alltag die hohe Würde dieser Personen vergessen lassen.
Eine Betrachtung der Unscheinbarkeit des heiligen Josef und ein Blick durch sie hindurch ermutigt zum Streben nach Heiligkeit. Der heilige Josef hat in einem einfachen und unter Anführungszeichen „normalen“ Leben die höchste Stufe der Heiligkeit erreicht. Das bedeutet, dass grundsätzlich jeder Christ das Gleiche erreichen kann. Dabei ist auch zu beachten, dass der heilige Josef in seiner echten Demut mehr für seine Familie als für sich selbst gelebt hat. Als Heiliger, der im Himmel lebt, lädt er jetzt uns ein, sich seiner Familie anzuschließen, also zu einer Lebensgemeinschaft mit Jesus und Maria. Mystisch gesehen können wir dadurch Jesus in unserer Seele und in den Seelen der Mitmenschen zur Welt kommen lassen. Amen.