Die Weihnachtsvorbereitung ist in Korneewka immer eine besondere Zeit. Mit viel Hingabe helfen meine Mitarbeiter, so dass die Kirche innen und außen in schönem weihnachtlichen Festglanz erstrahlen konnte. Dieses Jahr wollte ich mit Girlanden den Kircheneingang schmücken. Doch einer unserer Mitarbeiter war dagegen. „Pater, das geht nicht“, sagte er. „Warum nicht?“ „Wenn wir die Girlanden in der Nacht anzünden, dann wird zwar der Eingang beleuchtet, aber das Kreuz über dem Eingang ist im Dunkeln. Das geht nicht!“, erklärte er mir. Er hatte vollkommen recht, ich hatte gar nicht soweit gedacht. Er machte sich nun mit seinem Sohn daran, das Kreuz ebenfalls mit einer Leuchtgirlande zu schmücken, damit es in der Nacht weithin sichtbar ist. Dieser Mitarbeiter und sein Sohn sind Muslime …
Die letzten Tag vor Weihnachten wurden richtig kalt. Bei knappen -40 Grad machten wir uns schon darauf gefasst, dass die Christmette nur in einem sehr begrenzten Rahmen stattfinden würde. Glücklicherweise wurde es direkt vor Weihnachten wieder wärmer – und damit auch etwas stürmischer. Zahlreiche Schneeverwehungen machten das Autofahren recht beschwerlich. Zur Christmette luden wir aus allen Dörfern, die wir betreuen, die Gläubigen in die Kirche von Korneewka ein. Leider konnten nicht alle kommen, weil das Wetter immer schwieriger wurde. Aus dem Nachbardorf holten wir die Gläubigen ab – und prompt blieb auch unser Auto im Schnee stecken und konnte nur mit Hilfe der Gläubigen und eines Traktors wieder flott gemacht werden. Vor der Christmette fand im Kulturhaus das große Weihnachtskrippenspiel statt. Der orthodoxe Priester und ich sprachen einige Einleitungsworte. Er schenkte der Pfarrei eine schöne Ikone von der Muttergottes aus Kasan. Das Weihnachtsspiel handelte von einem Jungen, der als Einziger noch an Weihnachten glaubte, während seine Eltern und Freunde nur noch den Konsum und die Karriere vor Augen haben. Am Ende kann er sie davon überzeugen, dass Weihnachten mehr ist, als bloße Geschenke, weil an diesem Tag Gott Mensch geworden ist.
Die Christmette begann bei Kerzenschein. Wir verlasen das Weihnachtsmartyrologium. Danach die Messe mit dem „Stille Nacht“ am Ende.
Am kommenden Tag wollten wir die Weihnachtsmesse in Tonkoschurowka feiern. Schon nach wenigen Kilometern war Schluss: Eine breite Schneeverwehung versperrte die Straße. Weil noch kein Räumfahrzeug in Aussicht war, begannen die Männer von beiden Seiten den Schnee wegzuschaufeln. Nach etwa einer halben Stunde Arbeit war die Straße frei und wir konnten weiterfahren. Der Weg wurde aber immer schwieriger, und schließlich standen wir wieder vor Schneebergen, die wir unmöglich mit unserem Auto passieren konnten. Sehr enttäuscht rief ich die Gläubigen in Tonkoschurowka an, die schon auf mich warteten. Sie setzten nun ihrerseits alle Hebel in Bewegung, damit doch noch eine Weihnachtsmesse stattfinden könne. Und siehe da: Der Chef der Kolchose stellte einen Traktor bereit, der innerhalb von wenigen Minuten die Straße freigeräumt hatte. Wir konnten passieren und kamen mit nur einer Stunde Verspätung im Dorf an und feierten Weihnachten. Danach gab es noch ein großartiges Weihnachtsessen, das die Gläubigen vorbereitet hatten.
Zwar gibt es hier in Kasachstan keine Weihnachtsmärkte und Ähnliches. Trotzdem sind wir durch die äußere Einfachheit, die Stille und die Freude der Menschen, für die es kein Problem ist, weite Strecken auf sich zu nehmen oder lange Zeit zu warten, um doch noch eine Weihnachtsmesse feiern zu können, dem Weihnachtsgeheimnis vielleicht näher als in Österreich oder Deutschland, weil viele angenehme, aber letztlich sekundäre Veranstaltungen wegfallen, wodurch das Wesentliche, die Menschwerdung und Geburt Gottes durch Maria wieder in das Zentrum rücken können.