Ein Bericht von P. Leopold Kropfreiter SJM, Missionar in Kasachstan
Neue Aufgaben
Die Mission in Kasachstan bringt immer wieder, manchmal sogar jeden Tag, neue Erfahrungen und Erlebnisse. Im neuen Jahr 2015 kamen einige interessante Aufgabengebiete auf mich zu. Zusätzlich zur Pfarreiarbeit baten mich die Bischöfe Kasachstans, geistiger Leiter für die “Bewegung der reinen Herzen” und des Päpstlichen Missionswerkes in Kasachstan zu werden. Beide Aufgaben verlangen viel Engagement und einiges an Sitzfleisch: Mehr denn je muss ich mit dem Auto weite Strecken durch die Steppe zurücklegen, um verschiedene Pfarreien und Gruppen zu besuchen.
Die “Bewegung der reinen Herzen” ist die einzige überdiözesane Jugendbewegung in Kasachstan. Sie wurde ursprünglich in Amerika gegründet, fand aber in vielen Ländern großen Anklang, auch in Polen und in der Ukraine. Eine ukrainische Schwester machte die Bewegung schließlich in Kasachstan heimisch. Seit etwa drei Jahren werden Einkehrtage, Lager, Treffen organisiert, die meist sehr gut besucht sind. Dazu wird regelmäßig eine kleine eigene Zeitschrift herausgegeben, die wir seit neuestem den Jugendlichen direkt per Post nach Hause schicken. Die “altmodische” Post erhält im Internetzeitalter wieder einen eigenen Reiz, denn wer freut sich nicht über einen Brief oder eine Karte aus echtem Papier? Am 14. Februar wollten wir ein Lager im Nationalheiligtum Kasachstans, ein kleines Dorf inmitten der Steppe, namens Osjornoe, abhalten. Leider war genau an diesem Tag ein derart starker Schneesturm, dass sämtliche Straßen gesperrt wurden. So mussten wir das Treffen auf einen anderen Zeitpunkt verschieben. Endlich nach Ostern, am ersten Maiwochenende, war es so weit. Die Jugendlichen trafen sich in Kokschetau, einer Kleinstadt ca. 300 km nördlich von Astana zu Exerzitien der “Bewegung der reinen Herzen”. Das Wochenende war gefüllt mit Vorträgen, Gesprächen, Spielen und vor allem mit Gebet. Besonders eindrucksvoll waren die Anbetung vor dem Allerheiligsten und die Möglichkeit zur heiligen Beichte, die viele der jungen Menschen wahrnahmen. Enthusiastisch und mit dem Wunsch nach weiteren Treffen verabschiedeten wir uns am Sonntag nach der heiligen Messe und dem Mittagessen. Im Sommer geht es weiter mit einem Lager in einem schönen Naturpark inmitten der kasachischen Steppe. Schon jetzt haben sich viele angemeldet. Reinheit, Gebet, Glaubensfragen sind keineswegs “out”! Es ist nötig, den Jugendlichen ein Umfeld zu geben, in dem es für sie möglich ist, über ihren Glauben und ihr Leben mit anderen, die dieselbe Erfahrungen machen, zu sprechen.
Kasachische Kultur
Der 1. Mai ist ein bedeutender kasachischer staatlicher Feiertag: Tag der Einheit der Völker Kasachstans. Man halte sich vor Augen, dass in Kasachstan über 100 verschiedene Nationen zusammenleben. Auf Einladung des Kreisakims wurden die Religionsvertreter zu den Festivitäten in die Kreisstadt eingeladen. Zusammen mit dem orthodoxen Priester und dem Imam nahm ich auf der Festtribüne Platz und ein buntes und abwechslungsreiches Programm begann: Viele Schulen und Volksgruppen führten in echten Nationaltrachten ihre Tänze auf. Als Ehrengäste wurden uns Dankesurkunden überreicht, in denen unser Engagement in der Völkerverständigung und im interreligiösen Dialog hervorgehoben wurde. Ich musste schmunzeln, denn das war schon etwas dick aufgetragen … Aber immerhin bestehen tatsächlich gute Beziehungen zu unseren orthodoxen Brüdern, besonders zum orthodoxen Priester, den wir schon lange kennen. Auch zum Mullah und dem Imam aus der Kreisstadt gibt es Kontakte.
Im Anschluss an die Tanzveranstaltung flanierten wir mit dem Akim rund um den Festplatz, in dessen Zentrum sich zwei Jurten befanden, die von zahlreichen Tischen flankiert wurden, auf denen Leckerbissen aus verschiedenen Kulturkreisen und Nationen dargeboten wurden. Wir mussten überall etwas probieren, was uns bei der großen Menge der Spezialitäten physisch durchaus an unsere Grenzen brachte. Besonders originell war eine riesige 20 Meter lange Pferdewurst, “Schuschuck” auf kasachisch, die anlässlich des 20jährigen Jubiläums des Festtages zur Einheit der Nationen bereitet worden war. Diese Wurst ist ein besonderer Leckerbissen: Sie besteht aus Darm, in dessen Inneren geräuchertes Fleisch und vor allem große, ebenfalls geräucherte Fettklumpen als Wurst zusammengefügt werden. Anschließend ging es in die Festjurte. Üblicherweise wurden einige Reden gehalten. Zentrum der Festtafel war aber der Akim, der wie ein Patriarch einige seiner Lebenserfahrungen und Anekdoten preisgab. Kurz gesagt: Ein wundervoller Tag mit herrlichen Menschen in einer eigenartigen aber faszinierenden Kultur.
Legion Mariens in Korneewka
Innerhalb der Pfarreiseelsorge macht sich der Einfluss der Legion Mariae, die wir vor fast drei Jahren gründen konnten, immer mehr bemerkbar. So machen mich die Legionäre auf kranke, bedürftige Menschen aufmerksam, die sie bei Hausbesuchen kennengelernt haben. Erst vor wenigen Tagen verstarb eine Frau, die nach vielen Irrwegen in ihrem Leben, das von Armut, Alkohol und wechselnden Beziehungen geprägt war, ihre Lebensbeichte ablegen konnte. Hier zeigt sich doch, wie übermächtig Gott wirkt: Obwohl sie seit geraumer Zeit gewöhnlich nicht mehr sprechen konnte und auch verwirrt oder nicht ansprechbar war, erlebte ich sie, als ich sie zusammen mit zwei Legionären besuchte, bei klarem Bewusstsein und in der Lage, leise aber klar verständlich zu sprechen. Es war für uns alle berührend, als sie wie ein Kind betete und ihr Leben in die Hände Gottes gab. Direkt neben ihrem Bett platzierten wir ein schönes Bild vom Barmherzigen Jesus, das sie bis in die Sterbestunde begleitete. Bei der Begräbnisliturgie, die – wie in Kasachstan üblich – im Haus der Verstorbenen vor dem offenen Sarg stattfand, waren fast alle Legionäre anwesend, während im Nebenraum schon gelärmt, gegessen und Wodka getrunken wurde, bis eine resolute Legionärin für Ordnung sorgte…
Man kann sagen, dass die Legion Mariens hier in Korneewka die verlängerten Hände, Augen und Ohren des Pfarrers sind. Die Legionäre kennen die Leute oft besser als der Priester, sie kommen auch in Familien und Häuser, die der Priester sonst nur von außen sehen würde. Sie sind mit den Möglichkeiten, die jeder Einzelne mitbringt, echte Missionare. Das geistige Programm der Legion macht sie dafür sensibel, Glaubensboten in einer Umgebung zu sein, die viele Jahrzehnte davon geprägt war, Gott möglichst konsequent aus dem öffentlichen und privaten Leben auszuklammern.
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