Aus einem Interview mit P. Axel Weil SJM
Pater Axel, man sagt sie hätten sehr angeregte Nächte?
Mein Ortsbischof, Dominique Rey, Bischof von Frejus-Toulon, fand einen seriösen Titel für meine Aktivitäten: Seelsorger der Menschen in der Nacht. Dieses Apostolat besteht darin, dass ich 4 – 5 Nächte pro Woche in Nachtclubs evangelisiere. Ich stelle mich in eine Ecke und warte, dass die Menschen auf mich zukommen während ich innerlich bete.
Sie sind dort im Talar. Wollen sie sich damit beschützen?
Dies ist ein Schutz und eine Verkündigung. Ich möchte damit gleich Farbe bekennen. Manche Jugendliche sprechen mich fast gleich an: Bist du Priester? Was machst du denn hier? Andere beobachten mich manchmal monatelang, ehe sie mich anreden. Und natürlich gibt es viele, denen meine Gegenwart einfach vollkommen egal ist.
Gehen sie auf die Leute zu?
Niemals! Ich habe noch nie einen Jugendlichen angeredet, ich warte bis sie kommen, damit sie sich ungezwungen fühlen. Ich trinke keinen Alkohol und ich tanze nicht. Sie sehen, dass ich für sie da bin und nicht um zu feiern. Eine Anwesenheit einfach so – und dies berührt sehr viele. Mir werden oft Dinge anvertraut, die sonst noch nie jemandem gesagt wurden. Da gibt es ab und zu sehr tiefe Begegnungen, bis zu Beichten oder Segnungen in einer ruhigen Ecke und so. Manche Begegnung wird zu einer beständigen Freundschaft.
Haben sie denn nie Versuchungen? Ist dies nicht ein riskantes Apostolat?
In einem Nachtklub sollte man sich nicht als Missionar improvisieren, denn es ist ein rohes Milieu. Es verlangt, dass man sich selber gut kennt und ehrlich zu sich ist. Die Jungen und Mädchen sind oft auf sehr provokante Weise angezogen. Ich empfinde für sie ein solches Mitgefühl, dass dies für mich praktisch jede Versuchung ausschließt. In den Augen der Mädchen sehe ich Traurigkeit und Leere. Das ist für mich auffälliger als das Äußere. Würde mich dieses Spektakel wirklich verwirren, wäre ich wohl nicht am richtigen Platz.
Ich habe in diesen Klubs realisiert, wie sehr unsere Jugend leidet, aber auch wie groß ihre Sehnsucht nach geistlicher Nahrung ist. Immer wieder frage ich mich: was tun wir Katholiken für die Neu-Evangelisation?
Aber ist dies denn wirklich der richtige Platz für einen Priester?
Wo könnten diese Jugendlichen einen Priester treffen und sich ihm anvertrauen? Sie würden niemals in eine Kirche gehen. Und ein Priester ist nicht nur da für die praktizierenden Katholiken aus der Pfarrei. An welchem Ort findet man heute die Masse der Jugendlichen außer in den Nachtklubs? Sagen sie es mir und ich gehe dort hin!
Bringt dieses Apostolat Früchte?
Ja und sogar für mich selbst! Ich wurde oft mit meinen eigenen Vorurteilen konfrontiert: Manche Jugendliche, die ich selbst als „unerreichbar“ eingestuft hatte, überraschten mich durch die Tiefe ihrer Gedanken und Sehnsüchte.
Für die meisten ist dies die erste Begegnung mit dem Evangelium durch eine uneigennützige und Vertrauen schenkende Gegenwart. Dies allein kann schon das Leben ändern: Vor einiger Zeit kam ein Mädchen zu mir und sagte: Ich wollte mich bei ihnen bedanken. Ich habe vor drei Jahren mit ihnen gesprochen. Ich war mit einem Kerl zusammen und war total verloren… Danach konnte ich diese falsche Beziehung beenden. Jetzt fühle ich mich befreit, habe meinen Glauben wieder gefunden und gehe sogar jeden Sonntag zur Messe.
Unsere Gesellschaft ist schuld an vielen menschlichen und vor allem geistlichen Katastrophen. Ich bin erschüttert von der Anzahl der Jugendlichen, die in ihrem Inneren verletzt sind. Sie wurden sich selbst überlassen, haben zu wenig Zuwendung erfahren. Anstelle eines Vaters hatten sie nur einen „Erzeuger“.
Das notwendige „sich anfreunden“ verlangt viel Zeit und Geduld, denn die Gnade bedient sich der Freundschaft und des Vertrauens. Diese Form der Neu-Evangelisierung unterscheidet sich schon sehr von der in einer Pfarrei oder auf der Straße. Die Jugendlichen haben Vorurteile, sind misstrauisch geben sich keinesfalls mit oberflächlichen Antworten zufrieden.
Beten Sie viel?
Eigentlich ständig. Sei es in der Nacht oder am frühen Morgen, wenn ich zurück in meine „Einsiedelei“ komme, wo ich wieder in das Schweigen und die Einsamkeit eintauche. Dort beende ich die Nacht durch die Feier der heiligen Eucharistie, in der ich alle dem Herrn anvertraue, denen ich begegnet bin. Auf diese Weise erhalte ich auch selber, was ich weitergeben soll.
Leider verbringe ich dann den Tag nicht damit, um wie der hl. Dominikus für die Sünder zu beten (…). Nein, nach der heiligen Messe schlafe ich den ganzen Tag.
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